Alle Dinge hatten ihre Farbe: Die Erde war braun, das Gras grün, die
Rose rot, der Himmel blau und die Sonne golden. Nur für den Schnee war
keine Farbe übrig geblieben.
Da entschloss er sich, die anderen zu bitten, ihm etwas Farbe abzugeben.
Zuerst ging er zur Erde. "Gib mir ein wenig von deiner braunen Farbe!" bat er. Die Erde aber schlief und antwortete
nicht. Da ging der Schnee zum Gras. "Gras, gib mir ein wenig von deiner
grünen Farbe!" Das Gras war jedoch geizig und tat, als höre es nicht.
Da begab der Schnee sich zur Rose und sprach: "Gib mir ein wenig von
deiner roten Farbe!" Doch die Rose wandte sich stolz zur Seite. "Hast du
ein wenig blaue Farbe übrig?" rief der Schnee dem Himmel zu. Der Himmel
aber war weit und hörte ihn nicht. Auch die Sonne bat der Schnee
vergeblich, ihm etwas von der goldenen Farbe abzugeben, denn die Sonne
ging gerade unter und hatte keine Zeit mehr zu antworten. So musste der
arme Schnee unverrichteter Dinge weiterziehen.
Schließlich
blieb er vor einem kleinen weißen Blümchen stehen. "Könntest du
vielleicht ein wenig von deiner schönen Farbe entbehren?" fragte er. Und
die Blume antwortete: "Warum nicht? Nimm dir nur soviel du brauchst!"
So bekam der Schnee seine weiße Farbe, und bis zum heutigen Tag ist er
weiß geblieben. Die kleinen Blumen am Waldrand aber, die auch heute in
unseren Gärten blühen, heißen seit jeher Schneeglöckchen, und ihren
Blüten fügt der Schnee keinen Schaden zu.
(Märchen aus Mazedonien)