4. August 2014

"Sonnett 18" von William Shakespeare

Soll ich dich mit einem Sommertag vergleichen?
Nein, du bist lieblicher und frischer weit -
durch Maienblüten rauhe Winde streichen
und kurz nur währt des Sommers Herrlichkeit.
Zu feurig oft läßt er sein Auge glühen,
oft auch verhüllt sich seine goldne Spur,
und seiner Schönheit Fülle muß verblühren
im nimmerruh'nden Wechsel der Natur.
Nie aber soll dein ewiger Sommer schwinden,
die Zeit wird deiner Schönheit nicht verderblich.
Nie soll des neidischen Todes Blick dich finden,
denn fort lebst du in meinem Lied unsterblich.
So lange Menschen athmen, Augen sehn,
wirst du, wie mein Gesang, nicht untergehn.

(übersetzt von Friedrich Bodenstedt, 1866)